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Erfüllung eines Lebenstraumes: Der Spartathlon
Es gibt insgesamt unzählige sportliche Wettkämpfe, an denen man sich jedes Wochenende messen könnte. Aber es gibt nur ganz wenige, die eine solche magnetische Wirkung entfalten, dass Sportler in bestimmten Sportarten dieses Event (mindestens) einmal im Leben erfolgreich erleben möchten. Ein Skispringer träumt bestimmt von der 4-Schanzen-Tournee und ein Marathonläufer vom Berlin-Marathon.
Läufern, bei denen es etwas weiter und härter sein soll, ist der Spartathlon in Griechenland ein solcher Magnet: Richtig, mein persönlicher Lebenstraum.
1982 haben sich drei internationale Wissenschaftler gefragt:
Ist der Bote Pheidippides um 490 vor Christus wirklich in 36 Stunden die 245 km von Athen nach Sparta gelaufen, oder hat es der griechische Geschichtsschreiber Herodot vielleicht doch etwas übertrieben?
Ein Testlauf sollte es beweisen. Der moderne Spartathlon war geboren.
Dass der Grieche Plutarch 500 Jahre später in seinen Aufzeichnungen jenen Boten nicht nach Sparta laufen ließ, sondern stattdessen auf dem 42 km langen Weg von Marathon nach Athen hat sterben lassen, gilt inzwischen als eine der kommerziell erfolgreichsten Lügen der Geschichtsschreibung.
Marathons gibt es tausende um den ganzen Erdball. Den Spartathlon nur einmal.
An der Antwort auf die Frage der Wissenschaftler versuchen sich Jahr für Jahr knapp 400 Boten, die dafür jahrelang trainiert haben. Bis auf wenige, die tatsächlich antike Schlappen benutzen, laufen diese in gedämpften Laufschuhen über den Asphalt, den es vor 2500 Jahren noch nicht gab. 74 Checkpoints verteilen Wasser, Eiswürfel, Verpflegung und persönliche Dropbags, wo der antike Läufer auf 8 Zwischensiedlungen zum „Nachtanken“ angewiesen war.
die schönste Stelle: Brücke über den Kanal von Korinth
Einzig der legendäre Sangas-Pass auf 1066 Meter Höhe und dessen steile Schotterrampen sind immer noch so schwierig zu passieren, wie in der Antike.
Außer dieser antiken historischen Vorlage bleibt die Frage:
Was treibt einen Menschen an, bei unerträglicher Hitze in weniger als 36 Stunden von Athen nach Sparta zu laufen, nur um dort König Leonidas die Füße zu küssen?
Das Abschlussritual: Erst dem Leonidas den Fuß küssen (im Hintergrund) und dann das Evrotas-Wasser trinken
Da sind unter anderem zwei Antworten, welche die Teilnehmer geben:
1. Weil ich es kann bzw. weil ich es gern können möchte.
2. Weil nur hier gleichverteilt Läufer aus aller Welt zusammenkommen, die den gleichen Traum leben.
Die 364 Athleten im Jahr 2024 kommen aus 54 Nationen.
Die Quotenregelung bei den Startplätzen stellt sicher, dass auch das Gastgeberland Griechenland nur einen kleinen Teil des Feldes stellt.
Ich laufe längere Zeit mit Ashok aus Indien, Annalisa aus Italien und Lubos aus Tschechien.
Weitere Läufer aus Ungarn, Israel und den USA, mit denen ich gelaufen bin, werden nicht in Sparta ankommen.
Vor mir darf Carlos aus Brasilien als 71. dem Leonidas die Füße küssen, weil er mich nach knapp 33 Stunden auf der diesmal 246 km langen Strecke auf der Zielgeraden noch abgefangen hatte. Henry aus den Niederlanden muss warten. Bis Ülrijk Troudler from Dschörmenieh – wie mich der Zielkommentator in griechischem Englisch ankündigt – mit dem Zielritual fertig ist.
194 Athleten werden am Ende dem legendären König die Füße geküsst haben.
Das sind 53% der Starter und zeigt, dass die harten Qualifikationskriterien für dieses Rennen ihre Berechtigung haben.
Das Gefühl, zusammen mit der Weltgemeinschaft unterwegs zu sein, ist unbeschreiblich einzigartig und für viele ein Grund, Jahr für Jahr wiederzukommen. 47% haben einen weiteren: Es beim nächsten Mal zu schaffen. 15 von 25 Läufern aus der deutschen Mannschaft sind darunter, weil es nur 10 Deutsche nach Sparta geschafft haben.
Auch ich werde gefragt, ob ich denn nächstes Jahr wiederkommen möchte.
Meine Antwort:
Das ist wie die Frage an die frisch gebackene Mama gleich nach der Geburt: Und, möchtest Du noch ein Kind?
Denn der Spartathlon ist nicht nur unfassbar schön. Er tut am Ende auch unfassbar weh. Direkt nach der rituellen Waschung der Füße im Ziel darf das rote Kreuz das Blut aus den Blasen holen, denen ich die letzten 50 km sehr viel zugemutet habe.
Jetzt bin ich aus tiefen Herzen dankbar.
Dem Universum, bei dem ich bestellt hatte, dass ich meinen Lebenstraum bitte im ersten Versuch erfüllt haben möchte.
Meinem Körper, dem ich die letzten Jahre Extremes zugemutet habe und der mich nie im Stich gelassen hat, wenn es wirklich darauf ankam.
Allen Menschen, die mich unterstützt, begleitet und live mitgefiebert haben, bis die Nummer 130 endlich im Ziel ist.
Am tiefsten dankbar bin ich meiner Frau Ina, die in den letzten Jahren als Supporterin an meiner Seite die Höhen und Tiefen live ausgehalten hat. Und auch diesmal für mich 40 Stunden nicht geschlafen und unterwegs die notwendigen Bananen, Nüsse und Pommes geholt hat.
Weil man bei diesem Lauf eines bedenken muss: Beim Spartathlon ist die Verpflegung spartanisch. Eigentlich zwingend logisch. Aber als Neuling hofft man eben doch, dass es anders ist.
Beide haben die Arbeit getan.