News & Blog
Balaton-Ultra
Die meisten Läufer trainieren hart, um schneller zu werden. Eine Minderheit wie ich trainiert in erster Linie hart, um weitere Strecken laufen zu können. Der Balaton-Ultra mit planmäßig 210 km ist dann vielleicht doch eine Gelegenheit, ein paar Einblicke zu geben, wie sich das anfühlt.
Ein ganz großes Dankeschön möchte ich an der Stelle meiner Frau Ina sagen. Dass ich sie dafür gewinnen konnte, mit mir die Strecke als Fahrradbegleitung zu absolvieren, ist wirklich ein toller Liebesbeweis. Es ist sicher die ersten drei Stunden spannend und auch fordernd, einen Läufer gut zu umsorgen. Aber spätestens nach Mitternacht ist der Spaß vorbei. Wenn 17 Stunden um sind, die Schlafenszeit erreicht ist und die Geschwindigkeit von 7 bis 9 Kilometer pro Stunde jeden Radfahrer trotz dicker Kleidung frieren lässt und perfekt geeignet ist, den Kreislauf in Sekundenschlaf zu bringen.
Für Ina war dieses Rennen deshalb eine ähnlich große Herausforderung wir für mich. Nur auf anderer Ebene.
Die Organisation am Vortag war ein bisschen chaotisch. Die Startunterlagen waren im Vorfeld durchaus perfekt für Läufer und Radbegleiter zusammengestellt. Nur waren die Ausgabehelfer nicht geschult und so war es ziemlich langwieriges Hin & Her, bis alles geklärt war.
Bei der Eröffnungsfeier haben die Ungarn eine tolle Party gefeiert. Da kein Wort Englisch dabei war, konnten wir nicht mitfeiern – Schade. Die Veranstaltung, die wegen der vielen Staffeln auch aus dem Ausland viele Tausend Starter hat, hat in puncto Attraktivität für nicht der ungarischen Sprache mächtige Läufer einiges Verbesserungspotenzial.
Das Startareal war aber top, die Pasta-Party lecker und unser Wohnmobil hatte auf dem Startgelände einen schönen Platz.
Der Start und die ersten 40 Kilometer waren daher völlig prima. Dann kamen wir zu einem Verpflegungspunkt im Weingut Varga in Badacsony. Die Attraktion hier sollte sein, dass alle Läufer durch die Keller dieser riesigen Weinfabrik laufen.
Was als nette Idee gedacht ist, war in der Praxis eher untauglich, weil die Radbegleiter fehlgeleitet wurden. Auch als Läufer war man nach dem Auftauchen aus dem Keller zunächst orientierungslos.
Und jeder Läufer merkte die mörderische Hitze der Sonne nun erst so richtig. Windstill mit etwas über 20 Grad Außentemperatur und knallender Sonne führten zu einer „Läufertemperatur“ deutlich über 30 Grad. Ina musste die nächsten Stunden einige Liter „Kühlwasser“ für mein Schlauchtuch am Kopf bereitstellen.
Bei Kilometer 74 im Keszthely gab es richtig lecker „Mittagessen“. Danach musste ich mich erstmal „eingehen“, bevor an einen Laufschritt zu denken war. Die Hitze und die Oberschenkel-Vordermuskulatur forderten ihre Opfer. Aber ich kam wieder in Tritt und konnte relativ stabil 10 Kilometer in der Stunde laufen.
Bis zum Bahnübergang in Fonyod bei Kilometer 105, der leider geschlossen war. Dieser Zwangsstopp führte dann zu einem leichten Hitzeschlag, der mich erstmal ein paar Kilometer rausgebracht hat. Aber inzwischen war es später Nachmittag und damit Erlösung in Sicht: Die Sonne ging unter und pünktlich der Vollmond auf. Dem Wetter muss ich an der Stelle wirklich ein Kompliment machen. „Beleuchtungstechnisch“ konnte das nicht perfekter laufen.
In dieser Tagesendphase bin ich nochmal gut in Schwung gekommen und konnte mein Ziel erreichen: Siofok vor Mitternacht sehen.
Im Kopf hatte ich fünf Ulis, die jeweils einen Marathon laufen. Die Wechsel von einem zum nächsten Uli habe ich mit Ina dann auch immer zelebriert. Beim letzten Wechsel auf Uli 5 nach Mitternacht war leider klar: Die Oberschenkel-Muskulatur hält nicht mehr bis ins Ziel. Uli 5 war ein Läufer, der seine Beine nicht richtig heben kann.
Dadurch waren immer wieder Gehpausen erforderlich. Ina musste zwischendurch vom Rad steigen und Hampelmann-Sprünge machen, um wach und warm zu bleiben.
Ina hätte ins Ziel vorfahren können, aber sie wollte bis zum Schluss dabeibleiben. Dadurch konnten wir die letzten Meter auf der Strandpromenade von Balatonfüred genießen und den besten Moment des Rennens. Jeder Läufer bekam für den Zieleinlauf ein persönliches Zielband. Was sonst nur die Sieger eines Rennens haben. Das war tatsächlich ein toller Abschluss einer schönen Strecke, die am Ende mit 207 km etwas kürzer als ausgeschrieben war.
Mein persönliches Ziel, mehr als 200 km in 24 Stunden zu laufen, habe ich erreicht. Und dank einer perfekten Regeneration in der Therme Olimia in Podcetrtek in Slowenien, die wirklich eine Reise wert ist, konnte ich weiter Urlaub machen und am Bahnlauf teilnehmen.
Eurer Ulrich Trodler